Alquife, die Domäne der Alten

Alquife

In der Stadt, in Sevilla oder Granada, ist die spanische Krise für Touristen kaum sichtbar, schon gar nicht während der Semana Santa: Während der Karwoche wird den Prozessionen im modischen Anzug oder im feschen Kleid beigewohnt, die Bars und Restaurants sind voll von mittags bis spät in die Nacht. Zudem bringt in den andalusischen Zentren die Tourismusindustrie genügend Geld und Jobs mit sich, so dass das Versiegen der anderen Industrien nicht ganz so stark ins Gewicht fällt. Nicht so stark wie in Alquife zum Beispiel.

Die Ausläufer der Sierra Nevada unmittelbar südlich von Alquife.

Die Ausläufer der Sierra Nevada unmittelbar südlich von Alquife.

Alquife ist ein 800 Seelennest, 80 Kilometer nordöstlich von Granada, direkt an den nördlichen Ausläufern der Sierra Nevada gelegen. Seit der Herrschaft der Nasriden über Al-Andalus wurde hier Eisenerz gefördert. Vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis zum Jahre 1997, als die Bergbaugesellschaft Compañía Andaluza de Minas wegen niedriger Marktpreise einerseits und hoher Transportkosten andererseits Insolvenz anmelden musste, sind insgesamt rund 80 Millionen Tonnen Erz in Alquife abgebaut worden – hauptsächlich im Tagebau. 300 Mineros wurden arbeitslos, das Arbeiterviertel verweiste, heute ist es verfallen. Die Bars schlossen, der Wochenmarkt verschwandt, wer konnte zog weg, Alquife drohte zu sterben. Was blieb waren die Alten, war ein Loch bis zur Erdenmitte, in dem sich das Grundwasser sammelte, und Aufschüttungen bis an des Himmels Rand.

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Dann aber kam die Finanzkrise und schlug in Madrid, in Valencia und in Barcelona ein. Die Weggezogenen, die jungen, gutausgebildeten Kinder Alquifes wurden erst arbeits-, dann mittellos, verloren zunächst die Selbstachtung, dann auch die Wohnung und die Perspektive. Die früh eingegangenen ehelichen Verbindungen wurden wieder gelöst: Sie ging zurück in ihr Dorf und er in seins.

In kurzer Zeit verdoppelte sich die Bevölkerung Alquifes, die Jungen zogen wieder bei den Alten ein, 30- oder 40-jährige „Kinder“ stellten die Füße zurück unter der Eltern Tisch, das Dorf belebte sich. Die einzig verbliebene Bar wird heute auch wieder wochentags und nicht nur im Anschluss an den Kirchgang frequentiert. Arbeit aber gibt es hier nach wie vor nicht mehr, jedenfalls nichts, wofür jemand einen bezahlte. Und für die Mandelbäume, für das Federvieh, die Bienenstöcke oder die Oliven interessiert sich die „Jugend“ kaum, es braucht sie auch nicht, denn dies ist die Domäne der Alten.

 

Link zu aktuellen Bilder der Tagebau-Mine von Alquife

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