Borderland Batumi

Dort wo die Marshrutkas anlanden, dort ist am meisten Betrieb in Batumi. Dort ist auch der Markt mit der Blumenstraße, die Reihe von Tabakhändlern, die Kleiderstände und die Gasse der Friseure. Mittendrin hat sich der Messerschleifer unter einer blauen Plane niedergelassen, gerade schleift er die einzelnen Zähne einer alten Säge nach, dann bringt ihm ein Mütterchen ein Küchenmesser vorbei. Hauptsächlich aber ist er mit Konversation und Biertrinken beschäftigt. Gleich zwei Schankstätten gibt es in der unmittelbaren Umgebung, die lokal gebrautes, leichtes Bier ausschenken, zu 1,30 Lari den halben Liter.

Batumi: Hafenstadt an der Grenze zur Türkei
Warum die meisten westlichen Touristen Batumi schmähen oder zumindest nicht viel mit der Hauptstadt der autonomen Republik Adjarien anfangen können, das ist mir schon klar: Die Schwarzmeerstadt ist vollgestellt mit architektonischen Monstrositäten, mit geschmacklosen Hotelgroßbauten türkischer Investoren und verspielt-kitschigen Renovierungen und Neuinterpretationen von Altstadthäusern. Mit einem Wort: Das Altstadtviertel hat etwas von Disneyland auf Droge. Hier steht eine mondäne Bar nach der anderen und Nobelboutiquen bieten gut gemachte Fakes an. Die zahlreichen Thai-Massage-Lädchen haben bunte Bilder aufgehängt und Plastikblumen in die halbhohen Fenster gestellt, hinter denen das etwas zu knapp gekleidete Personal mit dem Mobiltelefongerät spielt. Gefühlt alle zehn Meter lädt ein Kasino zum Besuch. Und wegen dem Strand muss man Batumi auch nicht unbedingt sehen. Aber das ist nur die eine Seite der Stadt, genauer gesagt die Seeseite.

Urlaub in Batumi Georgien: immer in Richtung Markt gehen
Denn jenseits der Chavchavadze-Straße zur Landseite hin beginnt ein bunter Trubel, der in Georgien seines Gleichen sucht. Keine georgische Stadt, auch Kutaisi und Tbilissi nicht, hat so viel an auf wenige Straßenzüge konzentriertem Straßenleben zu bieten. Deshalb bin ich wieder hier, auch wenn die Marshrutka-Ausrufer der Meinung sind, ich wolle weg und mir alle erdenklichen Ziele anbieten. Ich bin auf der Suche nach einem Händler, der sibirischen Ginseng anbietet und finde ihn tatsächlich wieder. Sein Stand, den er tagtäglich bezieht, besteht aus einem Tisch und den darauf drapierten Wurzeln sowie gemahlenem Ingwer und Maronen.


Er ist sichtlich überrascht, dass ich nicht überrascht bin und referieren kann, was er mir vor mehr als einem Jahr erklärt hat: dass man die Wurzel zerkleinert, aufbrüht und das Teegetränk allgemein stärkende Wirkungen hat. Damals wie heute stattet er mich mit einem fotokopierten Zertifikat aus Sowjetzeiten aus. Ich muss mir das bei Gelegenheit mal übersetzen lassen.

Tabakhandel, Batumi Bazar

Während man sich in Tbilissi etwas auf teuren, mittelprächtigen Capuccino einbildet und die Herren der Schöpfung angefangen haben, viel Geld in Bartpflege und Haarschnitte zu investieren, ist in Batumi alles beim Alten: Mode gibt es nicht, stattdessen regiert die Etikette. Diese verlangt, dass die einen Anzug tragen, die nächsten den Chador und die dritten farbenfrohe Synthetikkleider. Der Kaffee ist türkisch und wird im heißen Sandbecken dreimal aufgekocht, bevor er abgegossen und ausgehändigt wird. Beim Friseur ist auch alles wie zuvor, ich zeige dem Barbier die Länge, die ich haben möchte, aber ich bekomme sie nicht. Er stutzt meine Haare in drei Durchläufen, bis sie kurz genug sind, dass es ihm gerade so passabel erscheint. Wie gesagt: Etikette! Aber wächst ja wieder.

Achso, PS: Eines hat sich radikal geändert in Batumi seit meinem letzen Aufenthalt. Es ist mir unerklärlich, aber die Autos halten jetzt am Zebrastreifen. Zwar im letzten Moment, aber doch ziemlich zuverlässig und nicht ansatzweise genervt. Keine Ahnung woher so ein Kulturwechsel kommt, aber er ist im Gange.

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