Fremd in Tepelene …not!

In Tepelene verursache ich einen kleineren Aufruhr und das kam so: Aleks studiert seit einem halben Jahr in Tirana und hat dort Airbnb entdeckt, vor wenigen Monaten einen Account eingerichtet und dies seiner Familie vermutlich als lukratives Modell für das nun leerstehende Zimmer angepriesen. Und jetzt kommt da erstmals wirklich jemand, noch dazu ein Fremder! Der überdies das Ansinnen hat, zwei Nächte zu bleiben. Also nicht nur übernachtet, sondern gewissermaßen da ist. Aber kein shqip spricht, sondern lediglich anglisht. …während sich das einzige Familienmitglied, das Englisch spricht, in Tirana aufhält!

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Ich hätte es ahnen können, aber ich saß zu schöner Mittagsstund seelenruhig im Café Geri gegenüber der Bashkia und ließ Aleks wissen, dass ich gegenüber der Bashkia sitzen würde, im Café Geri nämlich, wo es zwar allerhand Getränke und guten Kaffee gibt, keine Gäste jedoch und auch nichts zu essen. Das Café Geri hatte ich wegen der strategischen Lage ausgesucht und weil es im Gegensatz zu den anderen Bars einen Namen trägt. Aleks schickt daraufhin Ronni, seinen Kumpel, mich abzuholen, denn der spricht Italienisch und wo Italienisch ist, da ist auch ein Weg. Ronni kommt, spricht Italienisch, Aleks meldet sich alsbald über Telefon und dirigiert die Operation, redet abwechselnd mit mir und mit Ronni, muss dann aber auflegen, um die Mutter anzurufen und Bescheid zu geben, dass wir im Anmarsch sind.

Wie die meisten freistehenden Häuser ist auch Aleks´ Heim ummauert und umzäunt sowie mit einem großen Tor aus Stahlblech und Hund dahinter bewaffnet. Die Hündin aber ist altersmüde und tut nicht mehr als ihre Pflicht, aber das wissen nur ich und die Hündin, die Familie hingegen hält die alte Fähe für gefährlich und ich muss sie großzügig umschiffen. Am Telefon instruiert Aleks seine Mutter, was alles zu tun sei, jetzt wo der Fremde das Zimmer in Augenschein nehmen soll, die Dusche würdigen und den Schlüssel empfangen. Das aber ist ihr alles zuviel, sie ist sichtlich verzweifelt, zumal Ronni eher Verwirrung stiftet, und sie verlässt das ihr aufgezwungene Protokoll, greift stattdessen zum Friedensmittel schlechthin, zum hausgemachten Raki, und wir sitzen erstmal am Tisch, so wie sich das gehört!
Kaum ist ein bisschen Ruhe eingekehrt, klappt es auch sofort mit der Verständigung. Sie merkt, dass ich ein paar Brocken Albanisch spreche und überfordert mich daraufhin schnell, aber dass ist nicht mehr wichtig. Melissa, die 6jährige Enkelin, schleicht sich heran, um mich solange aus großen Augen zu betrachten, bis der Bann abfällt und ich einfach da sein darf: interessant, das auf jeden Fall, aber keineswegs außergewöhnlich! Melissas Mutter schaut durch die Tür, Aleks Onkel taucht auf und schließlich kommt noch der Großvater in unverhohlener Neugierde hinzu. Diesem gelingt es ohne jedwede Rücksicht, in großer Offenheit und Freundlichkeit, binnen weniger Minuten alles Wichtige von mir zu erfahren: Woher, wohin? Arbeit, Beruf, Alter? Warum in Tepelene? Als alles geklärt ist,  sinkt er zurück in den Stuhl, wendet den Blick von mir ab, es ist getan. Das Telefon klingelt,  Aleks Mutter drückt den Anruf weg.

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Zwar hat Aleks den heimischen Herd auf Airbnb zur Mitbenutzung ausgelobt und dies im Telefonat ebenso hervorgehoben wie das fließend Heißwasser, aber ich kenne meine Grenzen! Und ich würde einen Teufel tun, abends die Küche zu stürmen…
– Moinsen!
…mir eine Teflonpfanne zu greifen und neben Mama Aleks etwas eigenes zu brutzeln. Das funktioniert einfach nicht, ich weiß das und bin daher auf der Suche nach Ernährungsmöglichkeiten in Tepelene. Der Plan ist, irgendwann mit der Dämmerung zurückzukehren, ganz sicher noch auf der Terrasse zu sitzen kommen, aber zuvor den Familienfrieden nicht zu stören. Doch die Nahrungssuche gestaltet sich schwieriger als gedacht, in meinem aktuellen Wlan-Nachmittags-Café wird mir auf Nachfrage gesagt, Restaurants gäbe es in Tepelene nicht. Tepelene sei zu klein, man würde zu Hause essen. In der Tat, die meisten namenlosen Café-Bars entlang des kurzen Boulevards haben keine Karten, es sind Aufenthaltsorte, Transitstationen, es gibt Chips oder Baked Rolls. Einen Metzger finde ich, aber die Bäckerei, die es geben muss, bleibt mir verborgen. Auf Dosen aus dem kleinen Supermarkt habe ich keine Lust, das assoziere ich mittlerweile mit Fußetappen. Tag eins in Tepelene wird also mit Chips, Bier und Baked Rolls bestritten. Geht auch.

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Erst Tag zwei bringt die Lösung als ich in praller Mittagssonne über den Boulevard schlendere, in der Hoffnung, doch noch irgendwo eine Karte oder einen Hinweis auf essbares Angebot zu entdecken. Die namenlosen Bars aber sind kaum besetzt, werden jeweils von einem einsamen dialli bewirtschaftet und haben noch nicht einmal eine Küche. Von einem Café gegenüber im zweiten Stock, das mir zuvor schon aufgefallen war, weil es vergleichsweise posh wirkt, ruft mir jemand zu. Ich winke freundlich zurück, will aber meiner Wege gehen, sorry aber grad keinen Bock sondern Hunger. Der Rufer steht auf, geht an die Balustrade, ruft erneut. Es ist der London-Albaner! Der vom Schiff nach Saranda, mit den Teilchen! Ich muss mich dazu setzen, Neuigkeiten austauschen. Der Tisch trinkt bunte Blloku-Cocktails, fancy, aber ich darf Bier. Er kann kaum sprechen, lässt sich die Zähne machen in seiner Heimatstadt. Zwei Tage noch, dann käme die Brücke rein, täte alles weh, würde aber ein zehntel kosten und sei genauso gut. Doch, doch: klar! Ein Restaurant gibt es, Mama Dingens, kocht schon seit dem Sozialismus! Liegt ein wenig versteckt. Aber warte. Der London-Albaner ruft zwei junge Leute, der London-Albaner ist ein großes Tier in Tepelene, die posche Bar gehört seinem Bruder. Und so kommt es, dass ich von einer Eskorte zu Mama Dingens geführt werde, in eine unbefestigte Seitenstraße, in ein Hochparterre. Eine Karte gibt es nicht, die Eskorte will vermitteln, aber ich weiß schon was ich will: Ich nehme die Kombination.

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