Mittellos in Malmö

Ich hab da ein klitzekleines Problem, ich bin auf einmal mittellos. Das liegt jetzt nicht am schwedischen Preisniveau, welches zugegebenermaßen absolut beachtlich ist. Vielmehr liegt es daran, dass Schweden nahezu bargeldlos funktioniert und ein Busticket nach Malmö nur mit Kreditkarte zu erwerben ist. Meiner Kreditkarte aber bin ich seit Mallorca verlustig und die Bank hatte darauf bestanden, mir eine neue an die hinterlegte Adresse zu schicken und nur an diese. „Heimat ist da, wo die Rechnungen ankommen“, schrieb Heiner Müller.

Malm_Varning1Gestern spät abends bin ich in Malmö gelandet, habe es dem Regen gleichgetan und bin mitten in die Midsommar-Feierlichkeiten geplatzt: Durchnässte Mädels in kurzen hellen Kleider mit Blumenkränzen im Haar, schwer angetrunkene bärtige Jungmänner, stocknüchterne, streng dreinblickende arabische Familienvorstände mit Nachwuchs im Schlepptau, alle in voller Montur, an den Füßen aber Nikes vom Feinsten.
Geben wir ruhig zu, dass sich der Transit von Belgrad nach Malmö zunächst anfühlt wie eine Strafversetzung. Die Annehmlichkeiten des Südens sind vorbei, man kann nicht mehr einfach irgendwelche Leute ansprechen, das gehört sich nicht – auch kleinere Scherze mit Unbekannten, und sei es im Schawarma-Laden, stoßen auf Unverständnis. Und wenn man es doch tut, dann wird es nicht gehört, es geht unter. Deshalb finde ich auch nicht heraus, warum sich die amerikanischen Twenty-somethings über einem Bier zwanzig lange Minuten so sehr anbellen, während beider weibliche Begleitung betreten auf jeweils ein Mobilfunkgerät starrt.
– Right now, tell me right now!
Die Musik ist zu laut, als dass ich die Zusammenhänge verstünde, aber sie streiten sich über das Leben, über Grundsätzliches, also über all das, worüber sich zu streiten nichts bringt.
– Bullshit! That´s complete nonsense.

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Die schwere, würzige Sommerluft der letzten Wochen ist passé, fast zart weht am Morgen ein skandinavische Lüftchen, erfrischend und doch sommerlich. Das leere Malmö wirkt ungemein aufgeräumt, ist erstaunlich umfassend ausschildert, so als bedürfte noch jedes sich selbsterklärende Ding eines Kommentars obendrauf. Als wäre Malmö ein Film in Originalfassung mit schwedischen Untertiteln.
Zwei deutsche Eltern beugen sich morgens um halb zehn über ein Kind, das nicht weiter will, die gesamte Stadt schläft noch, alle Läden haben zu. Den Hauptbahnhof finde ich ohne jegliche Probleme, folge einfach den Schildern, und habe Glück: Die schwedische Bahn akzeptiert Bargeld. Noch. Denn ab 30. Juni ist damit Schluss. Schweden will in fünf Jahren komplett bargeldlos sein.

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Ps.: Ohne die (sehr günstige) Unterkunft zu berechnen und ohne es zu merken, habe ich innerhalb von 12 Stunden fast hundert Euro ausgegeben, und das gliedert sich folgendermaßen auf:

Bus vom Flughafen nach Malmö: 60 Kronen
Saft, Wasser, große Tüte Chips: 100 Kronen
Schawarma und Wasser: 55 Kronen
0,33l Bier: 65 Kronen
Ticket nach Mjölby: 593 Kronen (günstige Variante)

gesamt 873 Kronen = 92,27 €

Halleluja! Soll Schweden doch bargeldlos werden, ich bin es jetzt schon.

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