Podgorica: hin und weg

Ich nehm´ ja Warnungen nicht immer sonderlich ernst, weil sich diese allzu oft als Fehl- oder Halbinformationen entpuppen. Dass es keinen direkten Bus von Tirana nach Podgorica gäbe, sondern man erst nach Shkoder und dort unter Mühen und mit hohem Zeitaufwand den Furgon über die Grenze suchen müsse, entpuppt sich prompt als unwahr, obwohl diese Information in den hochseriösen Reiseagenturen in Nähe des Skanderbeg-Platzes eingeholt wurde. Es gibt ihn, diesen Bus: Ein montenegrinisches Unternehmen aus Bar verbindet zweimal täglich die beiden Hauptstädte, morgens und abends. Also sitze ich früh morgens im Bus, verlasse das quicklebendige Tirana, mit dem Vorhaben, mittags in Podgorica zu sein, um die Stadt, über die ich nichts weiß, gar nichts, anzuschauen und dann einen Tag später nach Belgrad zu fahren – mit der Bahn, denn es gibt eine spektakuläre Bahnstrecke zwischen Podgorica und Belgrad.

Daraus aber wird nichts, weil die zweite Warnung, die man mir mit auf den Weg gegeben hat, sich als sehr wahr erweist. Podgorica ist das geblieben, was es wohl vor dreißig Jahren auch schon war: die allerletzte Provinzstadt Jugoslawiens kurz vor dem Skutarisee und vor der schwerbewachten Grenze zum Feindesland Albanien (Ja, Enver Hoxhas Albanien und Titos Jugoslawien waren sich von Anbeginn spinnefeind, aber das ist eine andere Geschichte). Ich habe ja nichts gegen Provinzstädte, ganz im Gegenteil, und gegen Städte, die in der Zeit stehen gelieben sind, auch nichts. Aber Podgorica ist irgendwie, na sagen wir: egal. Es gibt so gar nichts, was ich über Podgorica zu berichten wüsste, außer, dass ich das Zentrum einmal abgelaufen habe, zweimal über den Fluss bin, ein Bier getrunken und bemerkt habe, dass sich mit der Grenze in diesem Fall der Menschenschlag in der Tat sichtbar ändert, das Hilton wahrgenommen habe und die Botschaften, ansonsten aber so gar kein Zeichen von Hauptstadt entdecken konnte. Der Himmel blieb von einem hohen Schleier bedeckt, ein Thermometer zeigte 38 Grad an, aber das kann ich nicht recht glauben. Irgendjemand hatte mir – das ist sicher ein paar Jahre her und wenn ich noch wüsste wer, ich würde es verraten – weis machen wollen, Podgorica wäre ja so etwas wie die Geburtsstätte der Hipster. Podgorica. Beginnt halt auch mit P., liegt aber einen Kontinent weiter und dort im toten Winkel. Und ist ansonsten dem Messianismus hinsichtlich irgendwelcher Zubereitungsformen von Getränken völlig unverdächtig, völlig.

Pod_Bahnhof1

Nachdem das erste Hostel nicht da ist, wo es sein soll, das nächste auf der Liste weit hinter der Zugtrasse liegt – und ich dort nicht hinlaufen mag, weil ich, wenn ich dort jemals ankäme, nie wieder wegfinden würde, keinen Bock auf Vorstadt ohne Stadt – das dritte aber wiederum so nah am Bahnhof liegt, so dass ich auch gleich den Zug nehmen könnte, da nehme ich halt gleich den Zug. Ich bin spät dran und stelle daher lieber ein paar Fragen zuviel als zuwenig, aber am Ticketschalter weiß niemand, von welchem Bahnsteig der Zug fährt, ich solle doch gegenüber an der Information fragen. Erinnert mich an Russland, diese Verfahrensweise, bzw. an Berlin, das auch. Die Dame von der Information aber weiß auch noch nichts und tippt an ihr Mikrofon, um mir verständlich zu machen, dass sie sich zu gegebener Zeit schon noch melden würde. Das aber ist überflüssig, denn im Wartebereich und am Bahnsteig warten ungelogen über hundert Leute, die alle wegwollen, mit dem Zug, der um 15:44 landeinwärts fährt.

Der Zug aus Bar fährt ein und hat drei Wagons, die größtenteils schon besetzt sind, die Einstiege werden belagert, Mutter und Tochter haken sich unter und drängeln sich vor, so wie alle anderen auch. Dass ich den Eindruck gewinne, jeder wolle aus Podgorica weg, wer könnte mir das vorwerfen?

 

Ps.: Ich war übrigens schonmal in Montenegro, auch aus Albanien kommend, aber die Küstenroute nehmend. Habe mir damals den Spass erlaubt, im Küstenort Ulcinj Geld wechseln zu wollen, für meinen Euro-Fünfziger aber fünf Euro-Zehner erhalten und eingesehen, dass hier der Euro kursiert…

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