Sommarsverige

Eigentlich wollte ich mich ein bisschen auslassen, über den schwedischen Sommer und so. Mit dem Sommer warm zu werden ist nämlich gar nicht so einfach, denn auch an den Tagen, an denen es nicht regnet und er sich in den langen klaren, sanften Mittagsstunden zu etwas Stärke aufrafft, bricht abends jeweils herbstliche Kühle ein. Auch auf die Preise wollte ich schimpfen, denn die sind wirklich ungeheuerlich und ganz entschiedene Spaßbremsen. Durstig nach langer Fahrradfahrt den Vätternsee entlang, den zweitgrößten Schwedens, während derer ich absolut niemandem begegnet bin, bestelle ich im einsamen und einzigen Café weit und breit ein Bier. Und was kommt? …Carlsberg, ganz entschieden nicht das beste Bier der Welt, in 0,33l. Und was kostet der Spaß? 65 Kronen, das sind sieben Euro! Sieben Euro, für einen drittel Liter eines Getränks, das nur ganz knapp noch ein Bier ist. Hunderttausend Höllenhunde!

Vätternsee vom Omberg aus betrachtet - sie nennen es Berg.

Vätternsee vom Omberg aus betrachtet – sie nennen es Berg.

Alle Welt kommt nach Schweden zum Zelten, wegen dem Jedermannsrecht, welches besagt, dass jedermann in der freien Natur jederzeit campen dürfe. Gesetzt, er nimmt seinen Müll anschließend auch wieder mit. Daher brechen sommers zahlreiche romantisch veranlagte Deutsche mit schwerem Rucksackgepäck auf, träumen von den Seen, von Lagerfeuern am Ende langer Tage, um schließlich im Nieselregen einsam am Seeufer zu sitzen, inmitten von Moskitoschwärmen das nasse Zelt abzubauen und einen kilometerlangen Fußmarsch zur nächsten Busstation hinzulegen. Der Bus kommt dann stundenlang nicht und der kleine Laden im Ort hat schon längst zu, die Restaurants sind unerschwinglich, und man baut schließlich am Ortsausgang das Zelt wieder auf, kriecht hungrig in den feuchten Schlafsack und träumt von Döner Kebap und richtigem Bier.

Aber beließe ich es bei solcherlei Lästerei, ich würde damit Schweden nicht gerecht: Schweden ist viel mehr als das, Schweden ist ein Phänomen. Nicht nur, das Schweden viel viel größer ist, als man es gemeinhin auf dem Schirm hat: Würde man Schweden gewissermaßen umklappen, also den nördlichsten Punkt lösen und an der Südspitze nach unten drehen, dann landete man auf Sizilien! Außerdem ist mir völlig schleierhaft, wie die Schweden es hinbekommen, das alles, aber auch alles, so schön, so hübsch, so niedlich, so aufgeräumt und zugleich so unaufdringlich wirkt – angefangen mit den rostrotgetünchten Häusern, weiter über irgendwelche Provinzbahnhöfe, die ebenso wie die Züge mit Wlan ausgestattet und einladend gestaltet sind, zum Aufenthalt einladen, in gedeckten, unaufdringlichen Farben mit bequemen Holzbänken (in Berlin ist ja nicht einmal der neue Hauptbahnhof einladend, sondern vielmehr ein Monstrum!), bis hin zu Tischdecken, Auslagen, Wasserkaraffen, Trinkbrunnen, Kähnen, Schiffchen, Stegen… wun-der-hübsch!

Schweden_Landschaft1

Nun, die rostrote Farbe kann ich erklären, das Gesamtausmaß schwedischer Niedlichkeit jedoch nicht. Das sogenannte Falunrot wird aus Nebenprodukten des Kupferabbaus gewonnen, nahe der Stadt Falun nämlich, und eignet sich ganz hervorragend als Witterungsschutz für Holzhäuser. Und man hat hier ja von beidem genügend, von Witterung und von Holz, so dass sich das Falunrot seit dem 16. Jahrhundert nahezu flächendeckend durchgesetzt hat und sozusagen Schwedens Nationalfarbe hinsichtlich des Häuserbaus geworden ist. Wobei ich mich wiederum angesichts dieser ganzen, herzigen Holzhäuser samt Nebenschuppen und Anbauten wundere, warum in Deutschland seit Jahr und Tag so massiv gebaut wird, solche Burgen in die Landschaft gesetzt werden, und Holz nie eine Alternative zu Ziegeln und Beton war.

Eigentlich wollte ich ein bisschen meckern, auch über die Eisenbahnpreise und dass knapp zwei Stunden Fahrt von Mjölby nach Stockholm mehr als fünzig Euro kosten sollen. Der Blick auf Seen, Wälder und Holzhäuser, das bestens funktionierende Wlan, die bequemen Sitze, der gedeckte Stoff, die Holzverblendung, der so schnell wie sanft dahingleitende Zug, die eleganten Neigefahrten durch lange Kurven, das alles aber stimmt mich gnädig. Und dann Stockholm, diese Ansammlung von Inseln und Buchten, mit den Booten und Schiffen, den Fähren und Fregatten, dem alten Dreimaster, den Brücken, Stockholm an diesem wundervollen Sommertag mit leichtem Wind und warmer, nicht zu heißer Sonne, dem langen Licht, lässt mich vollens verstummen. Ich sitze mit Blick auf die Gamla Stan, also die Altstadt, seufze und bestelle ein Carlsberg. Was solls…

Neue Beiträge per E-Mail erhalten