Tafraout: Das Hotel Les Amandiers

Jörg Dauscher Amandiers

Das Hotel Les Amandiers, das Hotel Zu den Mandelbäumen liegt auf einem Hügel, die Oasenstadt Tafraout zu Füßen, inmitten der rötlichen Granitberge des Anti-Atlas.

Seelenlos sei es, so hieß es in einer Internet-Bewertung. Eine Reisebekanntschaft hatte berichtet, die Zimmer hätten ihr so gar nicht gefallen, zu kalt, zu lieblos, zu altmodisch. Und ein lokaler Tourismusexperte ließ mich wissen, das Hotel Les Amandiers wäre ganz gewiss nicht mehr das beste Hotel am Platze, es sei schlicht veraltet.

Hotel Les Amandiers

Das Amandiers mag zwar nicht das beste im Sinne von modernste Hotel in Tafraout sein, aber ist es das erste. Grandeur atmet es allemal, auch oder gerade weil es nicht das Neueste ist, sondern bereits im Jahre 1958 vollendet wurde, zwei Jahre nach Marokkos Unabhängigkeit. Eingeweiht wurde es in Persona von M5, von Marokkos König Mohammed dem 5., dem Großvater des heute regierenden M6.

Seitdem – und das ist das Großartige – wurde an der Bausubstanz kaum etwas verändert: die hölzernen Fensterläden wurden nicht ausgetauscht, der Steinfußboden nicht erneuert, kein Fahrstuhl wurde eingebaut und Lobby, Speisesaal und Gästezimmer nicht grundsätzlich neugestaltet.

1967 sollen Keith Richards und Anita Pallenberg hier abgestiegen sein, was sich zwar nicht verifizieren lässt, wohl aber zeigt, dass das Amandiers Jahrzehnte lang ein Ausnahmehotel inmitten unwirtlichem Gebietes, ein Vier-Sterne-Hafen für verwöhnte Europäer war.

Und noch heute erhebt sich Les Amandiers über Tafraout in der gleichen Weise wie es die frühen Gäste vermutlich taten, die von hier oben auf die kleine Stadt und das dörfliche Treiben herabsehen konnten.

Hotel Les Amandiers

Als ich nach einem Zimmer fragte, wurde mir bedeutet, ich hätte Glück, denn das Fest der Mandelblüte sei nahe, dann wäre die Stadt voller Touristen – marokkanischer und französischer Herkunft – und das Hotel habe Hochkonjunktur. Noch aber wären Zimmer zu haben.

Jetzt, Anfang März, wenige Tage vor dem Mandelblütenfest, blühen kaum noch Mandelbäume, weil es zu trocken ist und die Blüte deshalb viel früher einsetzte oder gar ganz aussetzte.

Zahlreiche französische Caravane haben sich dennoch in Ausgangsposition gebracht, ich kann das von meinem Balkon aus beobachten. Ich sehe die französischen Rentner jeden Vormittag, sobald ich ins Dorf hinunter gehe, um Kaffee zu trinken und französische Rentner zu beobachten. Dort staksen sie mit verbrannten Oberarmen und steifen Hüftgelenken auf der Suche nach Baguettes umher und erinnern mich an Reptilien kurz vor dem Aussterben.

Im Hotel hingegen treffe ich niemanden. Außer dem Portier, dem Nachtportier, dem Kofferportier, dem Barkeeper, den drei Kellnern im Speisesaal (die tatsächlich goldene Knöpfe am weißen Livree tragen), den zehn Putzfrauen, dem Gärtner und dem Chauffeur.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich drei Tage lang der einzige Gast war: Im Les Amandiers, in Tafraout, im Anti-Atlas.

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