Banyalbufar: Botifarra oder Botifarron?

Der morgentliche Bus über Banyalbufar in Richtung Palma fährt nicht pünktlich ab, er ist dem Fahrer nicht voll genug. Dieser erkundigt sich bei seinen Fahrgästen, wo die Fehlenden denn blieben und ob man noch warten müsse. Es ist der Bus, der die Leute nach Palma zur Arbeit bringt, ihn zu verpassen könnte zu Schwierigkeiten führen.
La rubia hat heute frei, berichtet eine junge Schwarze, soviel wüsste sie, aber sonst, keine Ahnung! Der Fahrer steigt noch mal kurz aus, um zu sehen, ob doch noch jemand im Anmarsch ist. Nicht das es nachher noch heißt, er wäre jemandem vor der Nase weggefahren. Nachdem auch das getan ist und er seiner Verantwortung vollauf gerecht wurde, lässt er den Bus an und wir setzen uns in Bewegung.

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Nach kurzer Fahrt steige ich in Banyalbufar aus, denn dort beginnt der alte Postweg über die Küstenberge, auf dem ich nach Esporles wandern will. Noch sind die Himmel grau, noch ist das Licht verhalten, noch fallen einzelne Regentropfen, gegen Mittag erst wird es aufklaren. Es ist ruhig, es ist leer, viele Läden sind geschlossen, es könnte auch Sonntag sein, es ist aber Dienstag.
Ich habe keine Eile, gehe zunächst durch das Dorf auf steilen Wegen hinunter zum kleinen Hafen und dem aufgeregten Mittelmeer, um mir besser vorstellen zu können, wie die Post dort angelandet und anschließend auf Eselsrücken ins Innere der Insel transportiert wurde. Immer wieder stehen Balsas am Hang, offene Zisternen, in die überschüssiges Regenwasser geleitet und an einer zu zügigen Weiterreise gehindert wird. Auf den treppenartig durchterrassierten, steilabfallenden Hängen stehen vereinzelt Reihen alter, knorriger Rebstöcke in Buscherziehung. Einst war der Malvasierwein aus Banyalbufar berühmt, ihm wurde sogar lebensverlängernde Wirkung zugeschrieben, obwohl dies vermutlich eher der Legitimierung überhöhten Alkoholgenusses diente. Die Reblausplage aber hatte im 19. Jarhundert den meisten Anlagen den Garaus gemacht und man hatte hinfort damit begonnen, sich auf Gemüse zu verlegen.

Am Vortag hatte es geregnet und gestürmt, jetzt stehe ich am Hafen und mir fällt auf, wie unordentlich das Mittelmeer ist, wenn es sich aufregt. Wellen laufen aus allen Richtungen ein, zerschellen scheinbar überrascht an den plötzlichen aufsteigenden, steilen, zerklüffteten Kalkfelsen. Es brodelt, es zürnt, es schäumt dort unten wie im Whirlpool – ganz im Gegensatz zum Antlantik, an dessen Küste ich noch vor wenigen Wochen die reine Kraft, die schiere Größe und die regelhafte Einfalt der Brecher sowie deren unbedingten Willen zur Ordnung bewunderte.

Cami des Correu, der Postweg von Banyalbufar nach Esporles

Cami des Correu, der Postweg von Banyalbufar nach Esporles

Auf dem Rückweg ins Dorf ist mir nach einem Kaffee. Frühstück hatte ich auch noch keines, daher folge ich dem Schild TABACO CAFE ALIMENTOS. Ein sehr alter hochgewachsener Mann, ein Herr, den ich nicht sofort als Ladenbetreiber identifiziert hatte, lehnt am Geländer. Der Höflichkeit halber, denn das Schild abierto hatte ich schon gesehen, frage ich ob der Laden geöffnet hätte.
– Das käme ganz darauf an.
– Gut, aber auf was?
– Auf das was ich haben wollte.
– Nun. Zunächst gerne einen Kaffee!
– Nein, dafür wäre zu, die Bar sei geschlossen.
– Ich bräuchte auch noch Wasser und zu Essen.
– Ja, dafür hätte der Laden auf!
Dass ich etwas kaufe, was ich nicht verstehe, das lässt der Alte nicht zu und unternimmt es deshalb, mir den Unterschied zwischen Lonchas Botifarra und Lonchas Botifarron zu erläutern, so dass ich eine mündige Entscheidung treffen kann. Ich weiß was zu tun ist, Herz und Zunge vom Schwein in der groben Wurst, wer könnte da Nein sagen? Den Queso, von dem ich ebenfalls gerne hätte, rückt er ohne weitere Komplikationen oder Nachfragen heraus, offensichtlich gibt es nur den einen Queso, der in Frage kommt und die anderen Laiber sind mir aus unbestimmten Gründen verschlossen. Mit Grazie und Genauigkeit wickelt er den Laib aus, setzt das Messer genau dort an, wo ich es auch getan hätte, wenn ich mich selbst bedienen würde.
– Ja, das passt!
Ich starre auf diese alten, langen Hände, die übergroßen Altersflecken, die bläuliche, pergamentene Haut, welche die Knochen umspannt.
– Todo?
Kurz überlege ich, ob ich aufgrund des handgemalten Pappschildes MALVASIA DE BANYALBUFAR nachfragen soll, zögere aber und lasse es dann sein, zumal ich keine Weinflasche über die Berge transportieren möchte.
– Es Todo! Gracis!
Schon wenig später, als ich auf dem alten, gepflasterten Weg oberhalb des Dorfes zurückgeschaut habe auf das Meer, auf die massiven Terrassen und die in der Ferne feucht leuchtenden Dächer Banyalbufars, habe ich das ein bisschen bereut.

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