Out of Bakuriani

Habe ich gesagt, mit Schnee wärs gut? Weit gefehlt. Es hat geschneit, einen ganzen Tag lang und die ganze Nacht. Die Folge: der Strom war weg. Was in einem swanetischen Bauernhaushalt kein Problem ist, das ist in einem poshen, auf Entertainment ausgerichtetem Waldhotelchen eine größere Katastrophe. Lustig aber, dass, als wir beim Frühstück im Dunkeln saßen, mit dem Strom auch die Musikanlage lautstark wiedereinsetzte. Heavy rotation, i tell you …moove like jagger, moove like jagger… Zur allgemeinen Verwirrung bebildere ich diesen Beitrag mit Silvesterfotos. Erstens weil ich keine Fotos vom heutigen Chaos habe, zweitens damit eventuelle georgische Mitleser nicht gleich sehen, was ich Böses über Bakuriani zu sagen habe.

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Normalerweise bin ich sehr für bleiben und abwarten, weil sich alle Dinge stets von selbst verwandeln. Diesmal aber fehlt mir die Geduld. Außerdem bin ich privat hier und nicht auf Recherche. Dh. ich würde ja noch bleiben, aber ich habe nichts zum Anziehen! Meine karelische Reisegruppe hat noch eine gute Woche vor sich, aber ich denke daran, mich alsbald abzusetzen. Bakuriani ist hoffungslos überfüllt, auf den Straßen herrscht Chaos. Schneeketten sind wahrscheinlich uncool, bzw. glaubt man, es ginge auch so. Geht es nicht. Die Straße zum Skilift ist verstopft, wer Jean-Luc Godars „Weekend“ gesehen hat, der weiß wovon ich rede.

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Das Ganze ist die konkrete Folge von massivem Privatinvestment, aufstrebender Mittelschicht und mangelnder öffentlicher Infrastruktur. Das Tal ist mit Hotels geflastert, keine kleinen Familienpensionen wie in Mestia, sondern große Hotelklötze. Und die sind ziemlich gut gefüllt, denn, ich sagte es bereits: Bakuriani ist zum Jahreswechsel the place to be. Alle wollen Skifahren, nicht aber zu Fuß gehen. Zu Fuß gehen ist uncool wie Schneeketten. Also rollt eine Lawine bergan, bleibt stecken, dreht durch, jault auf, schlittert weiter, kommt von der Fahrbahn ab, parkt in den Schnee ein und kommt nicht wieder heraus.

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Die Skipass-Kasse wird umlagert, die Gondel desgleichen. Dabei fällt Nieselschnee, von guten Bedingungen kann keine Rede sein, der Schnee ist angetaut. Es ist schon nach 12, Amiran fährt die Mannschaft auf zwei Fahrten verteilt zum Berg, dauert jeweils nur ca. eine gute Stunde. Die Gondel schließt aber schon um 15 Uhr. Wo ist der Sinn? Die einen wollen Snowboarden (cool!), die anderen nur den Berg sehen und das Panorama genießen – welches Panorama? Ich steh ein bisschen blöd rum und habe dann schließlich keinen Bock. Noch vor einer Woche war ich am Tednuldi Skifahren, war mit zwei Chinesen im schönsten Schneegestöber unterwegs, der Wind pfiff, es war schweinekalt und die Piste ganz und gar nicht präpariert. Mit einem Wort: Es war großartig. Das reicht mir an Skierlebnis.

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Ich meine, ich habe mich ganz gut geschlagen, innerhalb meiner karelischen Reisegruppe. Gruppendynamik ist eh immer was besonderes. Toll auch, wenn sie streiten, ob das Frühstück jetzt um 9 oder um 10 serviert wird. Ich, ganz deutsch, bin sehr für halb zehn. Macht eh keinen Unterschied. Bis wir uns bewegen, ist der Tag schon fortgeschritten und die Straßen so voll wie in Moskau zur Hauptverkehrszeit. Was aber auf Dauer wirklich nicht funktioniert ist, kein Russisch zu sprechen. Das ist in Russland so und auch in einer russischen Gruppe. Habe gestern im Rahmen meines Trinkspruchs geschworen, binnen eines Jahres ein wenig Russisch zu lernen. Gut, ich hatte ein paar Chacha intus, aber mir war es ernst. So wichtig Englisch in der einen Hemisphäre ist, so bedeutend ist Russisch in der anderen. So schwer ist das auch nicht. Außerdem gibt es Einladungen nach Karelien!

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Ach noch was, kleiner Zwischenfall an Silvester. Georgien ist drei Stunden vor der MEZ, eine Stunde vor Moskauer Zeit. Amiran macht auf einmal ein ganz besorgtes Gesicht. Ich frage, was los sei. Irgendwas mit Putin. Stellt sich heraus, dass die Karelier gegen ein Uhr insistierten, die Neujahrsansprache von Putin zu sehen (Putin, der alte Fuchs, lässt seine Ansprache direkt vor Mitternacht ausstrahlen) … das kommt in Georgien nicht so wahnsinnig gut an. Punkt zwei Uhr habe ich verlangt, Merkel zu gucken. Weiß ja keiner, dass die viel früher schon dran war und eh nichts gesagt hat.

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