Raki: Nüchtern kommt hier keiner durch

Gjirokaster Gjirokastra

Es führt ja doch kein Weg dran vorbei, also kann ich das Thema Raki auch gleich angehen.

1. Albanischer Raki ist meist Traubenschnaps, Trester, hat nichts zu tun mit dem türkischen Anisschnaps, nichts.
2. Jeder Haushalt auf dem Land und insbesondere dessen Vorstand macht Raki selbst. Nahezu jeder.
3. Raki wird nicht gekauft, Raki bekommt man geschenkt und ausgeschenkt.
4. Raki WIRD probiert. Uhrzeit egal.

Gjirokastra Bazar
Vor Jahren habe ich mir mal richtig Ärger eingehandelt, weil ich geschrieben hatte, Raki sei ein MILDER Traubenschnaps. So ist das mit den Eindrücken, wenn man zu wenige sammelt, dann liegt man schnell falsch. Als ich die Sami-Frasheri-Schule in Tirana besucht habe, haben sich die Mutigsten der Klasse anschließend zu Wort gemeldet und gegen zwei Dinge protestiert: Dass Albaner nicht ohne Visum nach Europa dürfen und dass ich behaupte, Raki sei ein milder Schnaps. Nun, die Visumspolitik ist nicht mein Gebiet, außerdem hat Sali Berisha das damals verbockt, die albanische Administration war schlicht nicht in der Lage oder auch nicht willens, die geforderten Sicherheitsmerkmale einzuführen, welche Voraussetzung gewesen wären, um überhaupt in Verhandlungen einzutreten. Was den Raki angeht, gut, das nehme ich zurück, das war falsch. Raki gibt es in allen Variationen und Stärkegraden, vom feinen, weichen, hocharomatischen Destillat bis hin zum selbstmörderischen Rachenputzer ist alles drin.

Raki Gjirokastra

Finde den Unterschied!

Meine weitere Behauptung an anderer Stelle, dass ein jeder Ausländer, der Albanien betreten würde, innerhalb weniger Stunden notwendig an einem Tisch zu sitzen käme mit einem Glas Selbstgebranntem vor sich, Uhrzeit egal, habe ich zwar im Übermut getroffen und als Zuspitzung begriffen, sie erweist sich aber als wahr. Bestenfalls wird einem erlaubt, zwischen Kaffee und Raki zu wählen, wählt man den Kaffee, dann bekommt man halt beides.

Es ist halb acht, morgens in Gjirokastra. Ich gehe zum zweiten Mal in das Café am Bazar. Beim ersten Mal ist man ein Durchreisender, beim zweiten Mal gehört man fast schon zur Familie.
Sein Raki wäre der stärkste, ich solle mal eben probieren, aber vorsichtig, nur ein Schlückchen…
Na klar, der stärkste, wohlan! Aber was soll ich sagen, heilige Güte, Recht hat er: In der Kehle kommt fast nichts an, die Mundhöhle ist gründlich desinfiziert, ich muss an Zahnärzte denken – den evaporierenden Effekt kenne ich sonst nur von Rum mit Fassstärke. Guten Gewissens kann ich also bestätigen, dass das der stärkste Raki war, den ich bisher probieren durfte. Nach dem Geschmack hat mich ja keiner gefragt.
– Ob ich Tourist sei?
– Nö, sag ich frech, ich arbeite hier. Ich schreibe.
– Ach so! Wenn das so ist, dann kostet der Kaffee nur 100 Lek. 200 ist für die Touristen, 100 für die, die arbeiten.

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