Bakuriani: im kleinen Kaukasus
Wie erkläre ich das jetzt? Vielleicht so: Amiran ist mein Kumpel aus Kobuleti. Mit Amiran habe ich schon russische Touristen nach Mestia hochgefahren und Amiran teilte mir mit, er sei über Silvester in Bakuriani, im kleinen Kaukasus, und ich solle doch mitkommen. Das Ding ist, dass Amiran wenig Englisch spricht und ich nur ein paar Worte Russisch. Ich war noch nie im kleinen Kaukasus, hab Borjomi noch nicht gesehen, also warum nicht? Die Recherche für das Buch ist mit Mazeri gewissermaßen abgeschlossen. Who needs Ushguli, when you have Mazeri? Mit Glück ergattere ich ein Flugticket der einzigen innergeorgischen Flugline und fliege von Mestia nach Tbilissi aus.
Ich bin also etwas – sagen wir leicht unterinformiert, als wir von Tbilissi über Gori in Richtung Borjomi fahren. Über die Menge an Gepäck im Wagen wundere ich mich zwar etwas, aber weder die armenische Beifahrerin noch die russische (aus Karelien!) können mich aufklären. Erst mit der Ankunft stellt sich heraus, dass ich hinfort Teil einer karelischen Reisegruppe bin, deren Anführer mein Kumpel Amiran ist. Langsam begreife ich, dass Bakuriani die Antithese zu Mestia ist: ein Ausflugsziel und Skigebiet seit den 30er Jahren. Und äußerst beliebt, um dort Silvester zu verbringen. Also entsprechend teuer und entsprechend voll. Auf den Überlandstraßen von Georgien sind die Distanzen nach Ankara und Istanbul, nach Teheran und Baku angegeben. Und so setzt sich auch das Publikum zusammen.
Dass wäre ja alles schön und gut, wenn es genügend Schnee gäbe. Den aber gibt es nicht. So hoch die Berge Georgiens sind, so südlich ist doch die Sonne. Und dies hat zur Folge, dass der Schnee auf den kahlen Kuppen der Gipfel weggeschmolzen ist und nur die Babylifte im Tal in Betrieb sind. Entsprechend groß ist der Andrang. Sich anzustellen gehört nicht zu den georgischen Tugenden, auch am Lift bildet man Trauben und wer sich zuerst bewegt, die Lücke sieht, der gewinnt!
Dennoch läuft der Spaßzirkus auf Hochtouren. Man kann sich auf Pferden durch den Matsch führen lassen, mit Motorschlitten oder mit Minijeeps im Dreck Runden drehen. Die russische Gruppe lässt sich auf Pferde setzen, um einmal rund um den Block geführt zu werden. Tut mir leid, aber das mach ich nicht. Nicht so, und nicht für Fotos. Auf diesen geschundenen Seelen.
Ich erlebe das jetzt zum wiederholten Mal, dass Urlaub lückenloses Entertainment zu sein hat. Und bitte bildkräftig, für Facebook und Instagram. Ich weiß nicht, aber es gibt so Momente, in denen die ganze Verzweiflung der Spezies Mensch deutlich wird. Was zählt, ist der Ausschnitt, wählt man den zu groß, dann wird die ganze Szenerie schnell trist. Die Russinnen wählen das Pferd, ich setze mich ab und gehe zum Markt. Markt ist immer spannend. Und in Georgien darf man alles probieren.
Am Markt, in der Bäckerei, habe ich übrigens jemanden gesehen, der ein weißes T-Shirt trug, hinten die Aufschrift RETTUNGSDIENST auf Deutsch! Ich bleibe stehen und amüsiere mich. Frage um ein Foto. Bin in der Lage die Aufschrift zu übersetzen und mache den Witz, dass hier sei wohl der Brot-Notdienst. Es gibt so Momente, in denen klar ist, alle Menschen sind Brüder. Und Schwestern. Familie. Ein fröhliches Neues!