Tbilissi: Reine Routine!

Zugegeben: Tbilissi interessiert mich nur noch am Rande. Ich bin im Viertel Chugureti und muss nirgendwo hin, ich habe nichts zu tun, nichts zu sehen, nichts in Erfahrung zu bringen. Ich weiß schon alles: Wo links ist und wo rechts ist, wo der Vake-Park ist und wo die Oper, sogar den Schildkrötensee kenn’ ich von früher und das Neue interessiert mich nicht wirklich. Diese Bar, jenes Restaurant… ja, mei! Ist das der Punkt, an dem das Reisen zu einem Stillstand kommt? Wenn die Neugierde versiegt? Oder geht es dann erst richtig los?

Auch die Anreise ist Routine geworden: der späte Flug nach Kutaissi, der nächtliche Überlandbus nach Tbilissi, wo ich früh morgens am Rustaveli Boulevard stehe und diese Mischung aus Benzindämpfen und Blütenduft einatme, die mir so typisch für diese Stadt scheint. Eine Chipkarte für die U-Bahn habe ich noch einstecken und so bin ich schon um sieben Uhr morgens auf der anderen Seite der Kura, im Chugureti-Viertel, wo ich die letzten paar Male auch schon war. Es gibt keinen Grund mehr, das Viertel zu wechseln, ich habe gar keine Lust auf Experimente: Wieder ziehe ich die Fabrika den kleineren, noch günstigeren Hostels vor. In der Fabrika gibt es etwas, was in Georgien gar nicht so selbstverständlich ist: Platz. Raum zum Arbeiten, zum ungestört sein Ding machen. Ich komme mir vor wie ein Berufspendler.

Die Fabrika ist weit mehr als ein Hostel. Auf dem Komplex einer ganzen Fabrik sind zahlreiche Cafés, Läden und eben ein Hostel eingezogen. Die Architekten, die dies ersonnen haben, sitzen gegenüber in der Remise und trinken morgens ihren Kaffee hier an der Bar. Abends füllt sich der riesige Aufenthaltsbereich mit Einheimischen, mit dem hippen Tbilissi und mit Familien, spielenden Kindern ebenso. Iranische, azarische und armenische Touristen bevölkern dann den Hof, freuen sich an japanischen Nudeln, georgischem Craft-Beer und Burgern. Relativ neu sind deutsche Backpacker. Noch vor wenigen Jahren waren es echte Haudegen, die hier durchkamen: Mit dem Fahrrad nach Aserbaidschan, mit dem Motorrad nach Indien. Dies hat sich gewandelt, Tbilissi und ganz Georgien sind keine exotischen Destinationen mehr.

 

Aber, wenn ich ehrlich bin: Mir gefällt die Ruhe, die aus der Routine entspringt. Ich bin einfach hier. Statt dort oder irgendwo. Verbringe eine gute halbe Woche in Tbilissi, streife nachmittags die Hügel hoch und spaziere durch mein Viertel. Anschließend wird es weitergehen zu unbekannten Orten und in hohe Berge hinein. Zunächst aber werfe ich Blicke in Hinterhöfe, die ich schon kenne und denen ich jetzt mit der neuen, besseren Kamera zu Leibe rücke und nicht mehr der Handykamera.

Was auf der anderen Seite der Kura passiert, das weiß ich nicht. Aber die neuen Läden in meinem Viertel habe ich gesehen. Und auch den großen Supermarkt habe ich erstaunt zur Kenntnis genommen. Dass hier Blumen und Bäume das ganze Jahr über blühen und die Sonne auch im Winter so warm scheint, dass man ab und an draußen sitzt, das weiß ich auch. Die Bananenstauden in den Hinterhöfen, die hölzernen Balkons, die Bäckerei weiter oben in der Straße, die Alten auf dem kleinen Platz: Ich bin ein Chugureti-Boy. Ich glaube, es geht erst richtig los.

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