Durch das Vjosa-Tal nach Permet

Permet liegt abseits der Hauptverkehrsrouten weiter im Landesinneren, die Vjosa flussaufwärts, im Rücken des Lunxhëria-Gebirgzuges. Es kostet mich ein wenig Beharrungsvermögen, von Tepelene aus dort überhaupt hinzukommen, denn den ersten Furgon verpasse ich. Um acht bin ich am Rondell und damit zu spät! Wann der nächste kommt, wer weiß das schon? Die Anwesenden jedenfalls nicht. Ich habe die Wahl, demi-tour nach Gjirokaster, um sozusagen von dort aus am nächsten Tag einen längeren Anlauf zu nehmen, oder abzuwarten. Letzteres scheint mir die bessere Variante und siehe da, sechs Stunden später, als ich gerade schon aufgeben will, kommt ein alter Mercedestransporter um die Ecke, der ein Schild „Permet“ hinter der Windschutzscheibe stecken hat.

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Warum nach Permet? Weil die Vjosa der einzig verbliebene Wildfluss Europas ist, der einzige, der vom Oberlauf bis zur Mündung intakt geblieben ist, durch keine Begradigung beschleunigt, durch keine Bagger schiffbar gemacht und durch kein Kraftwerk aufgehalten und rückgestaut. Jedenfalls noch nicht, denn flussabwärts wird mitten im Nationalpark fleißig gebaut. Albaniens Energiebedarf steigt, die Versorgungssicherheit jedoch nicht. Mancherorts, an manchen Tagen, fällt der Strom nicht aus, er fällt vielmehr zuweilen ein. Die Konzessionen für die Kraftwerke – am Mittellauf der Vjosa in unmittelbarer Nähe von heißen Thermalquellen – sind unter hohen Beratungsgebühren und einem intransparenten (wohl aber durchsichtigen) Gemengelage an Interessen vor Jahren schon vergeben worden. Die heutige sozialistische Regierung unter Edi Rama tut sich schwer damit zurückzurudern, so dass wohl alle 33 an der Vjosa geplanten Kraftwerke auch fertig gebaut werden, dem Widerstand der lokalen Bevölkerung, die mit und vom Fluss seit alters her lebt, zum Trotz.

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Permet gilt als Rafting-Hochburg, von boomendem Tourismus ist aber rein gar nichts zu sehen. Viel später als geplant komme ich an und muss mich um die drei verbliebenen Bedürfnisse kümmern: Schlafen, Essen, Wlan. Es scheint im Stadtkern, also rechts der Vjosa, drei Hotels zu geben: Das eine ist ein sehr neuer Neubau am Ortsausgang, Beton und Glas, vier Sterne, dann gibt es zwei am zentralen Platz, eines davon ist ein nicht ganz so neuer Neubau, drei Sterne, Beton und Glas. Das dritte, das erste, weil älteste, das Hotel Permeti ist ganz offensichtlich meines. Was man wissen muss ist, dass sich die Preise albanischer Hotels im Netz und in Wirklichkeit häufig gravierend voneinander unterscheiden. Wer vorab bucht, zahlt das dreifache oder mehr – weil er vorab bucht, also Sicherheit kauft. Die kostet. Ich bin dem Herrn am Empfang sympathisch und werde deshalb, wie er sagt, im „ersten Stockwerk“ einquartiert. Dieses liegt, wie sich schnell herausstellt, im dritten Stock, also im obersten Geschoss. Das dritte Geschoss ist deswegen das erste, weil es das oberste ist und von dort am meisten zu sehen gibt. Nun gibt es in Permet nicht gerade viele Sehenswürdigkeiten, genau genommen gar keine, aber ich kann über die flachen Dächer samt den blauen Wassertanks hinweg die Berge sehen und das ist doch was.

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Nebenan im ziemlich neuen Neubau,  wo ich zunächst dachte, dass ein Supermarkt untergebracht sei, sind in Wahrheit drei Supermärkte untergebracht, allesamt spärlich beleuchtet und mit einem fast identischen Sortiment ausgestattet. Ich weiß das, weil ich in allen dreien war. Ich bin, warum auch immer, auf der Suche nach gefüllten Weinblättern, die findet man sonst überall. Nicht aber in Permet, in keinem der drei nebeneinander liegenden Supermärkte, deren Lebensmittelangebot hauptsächlich in einem Überangebot an Nestle-Ware besteht, neben Drogerie- und Haushaltsartikeln. Albaniens Gesellschaft ist zumindest auf dem Land immer noch eine bäuerliche, das bedeutet, dass der tägliche Bedarf selbst hergestellt oder erzeugt wird. Supermärkte sind also zuständig für das Überflüssige, für die Distinktion und die westlichen Marken, für buntes Duschgel und fancy Cornflakes. Alles andere, Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch wird für kleines Geld auf den Märkten und in kleinen Läden gehandelt, Brot kostet immer noch erschreckend wenig (kleiner Laib Weißbrot, ca. 500gr, vom Bäcker für 50 Lek, das sind ungefähr 30 Cent). In den drei Supermärkten gibt es daher nicht viel, was sich wirklich zum Verzehr eignen würde. Der eine der drei heißt übrigens Supermarket, der andere Market Permeti, der dritte New Market. Der erste wirbt in roter, der zweite in grüner, der dritte in blauer Leuchtschrift. Aus Beweisgründen, nicht aus ästhetischen, hier ein Foto.

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Anderntags gibt es eine Art Frühstück, im Preis inbegriffen, ich bin schon um halb acht zur Stelle, das hilft mir aber nichts. Die einzige Möglichkeit weiter zu kommen, nach Korça, ist schon abgefahren. Um sieben, ohne mich. Entweder man hat ein Auto und kann machen was man will, oder aber man hat etwas zu tun und dann ist man eben früh auf den Beinen, früh genug für den einzigen Furgon nach Korça. Ich muss meinen Rhythmus den ortsüblichen Rhythmen wohl noch ein wenig anpassen.

 

 

Mehr über die Vjosa als letztem intakten Wildfluss Europas gibt´s hier

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