Im Furgon nach Tepelene

Der öffentliche Personen-Nahverkehr, wie das im Norden heißt, wird in Albanien zum Großteil durch Furgons besorgt, welche sich von den georgischen Marshrutkas, den türkischen Dolmusch´ und den marokkanischen Grand Taxis nur hinsichtlich Automarken, Baureihen und Kapazitäten unterscheiden. In Albanien finden Kleinbusse aller Art Verwendung und der Fahrer ist meist zugleich der Besitzer, sein Ausgangsort und sein Ziel fast immer dem Wohnort seiner Familie geschuldet.

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Nach Tepelene kommt man von Gjirokaster aus, indem man weiß, an welcher Kreuzung die Furgons in diese Richtung abfahren. Will man in eine andere Richtung, dann muss man in dieser nachsehen, logisch. Der japanische Individual-Tourist, der zunächst drei heiße Schokoladen innerhalb einer Stunde trank, um sich dann bei Fatjon, dem Kellner, mit leiser Stimme zu erkundigen, wo denn die Bushaltestelle liege, er wolle nach Vlora, wann denn die Busse fahren würden, liegt also gleich mehrfach falsch. Zwar gibt es Busse und diese fahren auch nach einem Fahrplan, der steht aber nirgends geschrieben und ist auch alles andere als verbindlich. Meist fahren die Busse die „alten“ Routen, also auf den Straßen, die noch den Kommunismus kannten, wohingegen die Furgons Schnellstrecken bevorzugen. Wenn es keine gibt, dann wird der Furgonfahrer dafür sorgen, dass man das Gefühl hat, es gäbe sie.

Was Bus und Furgon gemeinsam haben ist, dass sie von zuvor verabredeten, gewohnten Punkten aus ihre Fahrt aufnehmen. Das sind aber keine „Haltestellen“, sondern Restaurants, Parkplätze, Brachflächen oder Tankstellen, je nachdem was sich so anbietet. Die Busse fahren von den ehemaligen Depots aus und halten an den ehemaligen Haltestellen, ob es diese noch gibt oder nicht. Die Furgons sammeln sich an einem unbekannten Ort in der jeweils richtigen Richtung, an der jeweiligen Ausfallstraße oder an einer strategisch richtig gelegenen Kreuzung und fahren ab, sobald sie voll genug sind, auf dass sich die Fahrt auch rentiere.

Bruecke über die Vosja

Die Furgonfahrer sind stets Herren im besseren Alter, manch einer hat seit meinem letzten Besuch gehörig aufgerüstet, aber alte Mercedesbusse aller Art sind nach wie vor unterwegs. Ich sitze in einem durchaus schicken Mercedes neueren Baujahrs, denke Holladiewaldfee, Klima-Anlage, 20-Sitzer, was geht ab? Aber dann ist wieder alles beim Alten, der Fahrer steigt ein, startet erst den Motor, gibt Leergas, fährt ein paar Meter und setzt den Wagen schräg, lässt also gewissermaßen die Pferde mit den Hufen scharren, damit alle, die noch beim Kaffee sitzen aber mitwollen, merken, dass es losgeht. Kaum hat die Fahrt begonnen, wird die Reisegruppe beschallt. Ich bilde mir ein, sie nehmen Rache an den Jüngeren, an all den Schulheimkehrern, die den Furgon nehmen müssen, an deren Vorlieben, dem internationalen Pop-Kitsch, der aus den Bars schallt, indem sie die Furgons mit nationalem Folk-Kitsch beschallen.

Die Fahrt nach Tepelene hat etwas von einem Ritt, obschon die Straße neu ist und ausgezeichnet. Es geht durch das Tal des Drino-Flusses, die Berge verengen sich, die Wasser vereinen sich kurz vor Tepelene mit dem ungebändigt mäanderndem Vjose und sind milchig-türkis, die Ufer weite, weiße Kieselstrände. Es ist die gleiche Strecke, die Lord Byron einst zu Pferde meistern musste, um in Tepelene von Ali Pasha empfangen zu werden, jedoch – ich erlaube mir den Scherz nur, weil er wahr ist – am anderen Ufer entlang.

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