Mazedonien: The Republic formerly known as…

Es gibt da ein Problem: Mazedonien heißt offiziell gar nicht Mazedonien sondern FYROM, Former Yugoslav Republic of Macedonia. Der Grund: Griechenland beansprucht gewissermaßen die alleinigen Nutzungsrechte des Namens, die angrenzenden griechischen Regionen Zentral-, Ost- und Westmakedonien seien das eigentliche Makedonien, das mazedonische Mazedonien eine kommunistische Erfindung. Das Gebiet des antiken Königreichs Makedonien umfasst aber in der Tat beide Landstriche, den griechischen auf der einen, den südlichen mazedonischen auf der anderen Seite. Nun können leider diejenigen, um deren Erbe es geht, nicht schlichtend eingreifen, denn die antiken Makedonen, von denen der bekannteste Alexander hieß, haben zwar zunächst ein kleines Weltreich errichtet, anschließend aber die berühmten Diadochenkämpfe ausgefochten, sich dann ein bisschen hellenisieren lassen, um schließlich im römischen Reich sang und klanglos aufzugehen und historisch nie wieder in Erscheinung zu treten.

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Mazedonien ist vermutlich der einzige Staat, von dessen Flagge zwei Varianten in Umlauf sind. Die erste, Gelb auf rotem Grund, wurde in aller Eile erstellt, indem man sich des Sterns von Vergina besann, dem Emblem des einstigen makedonischen Königshauses. Dieser aber ziert aber ebenso die inoffizielle Fahne der griechischen Region Makedonien, auf blauem Grund, denn nah ist die See. Daher forderte Griechenland im Gegenzug zur Anerkennung des neuen Nachbarstaates, dieser möge bitteschön Abstand nehmen von der Verwendung originär griechischer Elemente. So geschah es, der Stern wurde gestreckt und modernisiert, aber beim Namen blieb man standhaft.

Man könnte das als Kinderei oder als schlicht bizarr abtun, den beiden Seiten ist es jedoch ernst. Auf griechischer Seite befürchtet man Gebietsansprüche und fühlt sich der eigenen Geschichte beraubt, wenn in Skopje ein Flughafen auf einmal umbenannt wird in Alexander-der-Große. Auf mazedonischer Seite zieht man alle Register bis hin zur Geschichtsfälschung, um vor sich selbst und vor anderen als „Nation“ zu bestehen, obschon Mazedonien ein Land der ethnischen und religösen Vielfalt ist (etwa 25% bezeichnen sich als Albaner, orthodoxes Christentum und sunnitischer Islam sind die Hauptreligionen) und es in der Tat Josip Broz Tito war, der es sich einfallen ließ, die südlichste Provinz seiner Förderation, die Vardarska Banovina, zur sechsten Teilrepublik zu machen, auf den Namen Mazedonien zu taufen und den Mazedonismus zu fördern.

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Vor zwei Jahren war ich in Skopje und habe nicht schlecht gestaunt ob der monströsen Monumente, die mit der nationalkonservativen Regierung in der Stadt gelandet waren, jenseits allen Sinns für Proportionen und Verhältnismäßigkeit. Alexander der Unvermeidliche thront dort übergroß in Bronze und zu Pferde, der Brunnen unter ihm wird abends illuminiert, die Fontänen tanzen zu klassischer Musik. Dorische Säulen an neugebauten Regierungsgebäuden sind Pflicht, selbst ein Triumphbogen wurde in der Mitte der Stadt installiert, ohne Zusammenhang mit einem Triumph allerdings. Das ebenfalls neue Nationalmuseum ist alles andere als unabhängig, meine eher links-alternativ einzuordnenden mazedonischen Begleiter haben betreten zu den Ausführungen des von der Regierung bestellten Museumsführers geschwiegen, es blieb meine Aufgabe, scheinbar naive Fragen zu stellen.
– Ob nicht unter diesen ganzen Widerstandskämpfern auch ein Albaner gewesen sei, vielleicht sogar ein Roma?
– Nein, nein, das seien alles Mazedonier.
– Wie denn die Karten zu verstehen wären, auf denen das „mazedonische“ Gebiet weit über den jetzigen Staat hinausginge?
Da aber roch er Lunte und wurde vorsichtiger, verstand es jedoch nicht, historische Zusammenhänge als solche zu benennen. Alle Fäden laufen im Jetzt zusammen, die Geschichte dient der Legitimierung der Gegenwart, erstere muss sich der letzteren anpassen. Ich erinnere mich, dass ich richtiggehend wütend wurde, aufgrund des Schmarrns, den man mir servieren wollte.

Der Stand der Dinge ist, dass die griechische Seite nach wie vor eine Umbenennung des mazedonischen Staatengebildes fordert, Gegenvorschläge sind mir jedoch keine bekannt, und Mazedonien wo es nur geht auf internationaler Ebene boykottiert. Es geht aber nicht mehr allzu viel, weil die griechische Region Makedonien mit der mazedonischen Region Mazedonien wirtschaftlich schon längst stark verflochten ist, ja die griechischen Unternehmen sogar die Hauptinvestoren in Mazedonien stellen. In Mazedonien insistiert man weiterhin darauf, dass man Mazedonien heiße, wird aber hoffentlich bald merken, dass die nationalistischen Anstregungen eines kleinen Vielvölkerstaates so künstlich daherkommen wie übergroße Statuen auf zu kleinen Plätzen. Außerdem ist das alles einfach anstrengend, viel einfacher wäre es, man würde begreifen, dass da eine historische und geographische Region auf zwei Staatsgebiete verteilt ist. So was soll vorkommen.

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