Shopping in Kerkyra, Überfahrt nach Albanien
Also das war so: In Benitses, korfiotische Ostküste, knapp 15 Kilometer südlich von Kerkyra, war ich superpünktlich am Bus, nur der Bus kam nicht. Der nächste auch nicht. Grund: schweres Unwetter tags zuvor, quasi Wellen in der Bucht, Regen wie im Winter! Schlimmster Tag der Saison befand Vasili, der Eigentümer, Koch und Maitre des Restaurants am Meer, in dem ich drei Regentage lang gelebt hatte. Und dreimal hintereinander „Fuck“ hatte er auch gesagt, als die Wasser die Liegestühle erreicht hatten. Es war also ernst. Avra Tavern in Benitses, gutes Lokal, nicht am Strand, sondern auf ihm, kann man hin, sollte man hin, wenn man in der Gegend ist. Vasili ist ein Tier, macht alles selbst und kontrolliert alles – aber gut, darum geht es jetzt ja nicht. Weil ich also zu spät in Kerkyra ankomme, gerate ich ein wenig unter Zeitdruck…
Noch habe ich kein Ticket, das Boot legt um 18 Uhr ab, ich komme um 16 Uhr an, brauche einen Schlafsack, denn mich wird es bald in albanische Berge verschlagen. Ich laufe also vom zentralen Platz, wo alle Busse halten – keine Zeit mir den Namen zu merken – in die Innenstadt, schnelleren Schritts als die anderen, insbesondere die Russinnen, die an jedem Schaufenster mit Schuhen drin einen spontanen Schlenker machen müssen, stelle fest, dass die Altstadt so ist wie vermutet, nämlich nett, schöne Mischung aus leicht heruntergekommen und Grandezza (venezianische Grandezza), und gleichwohl verseucht von den immergleichen Frozen-Joghurt und Gedödel-und-Gedöns-Läden. Ich brauche kein Gedödel und Gedöns, sondern einen Schlafsack, habe keine Zeit und kehre um, laufe vom Omnibusplatz (lat. omnibus gleich „allen“ bzw. „für alle“, Dativ Plural von omnis – soviel Zeit muss sein!) in die Ausfallstraße, von der ich weiß, dass in wenigen Kilometern ein INTERSPORT-Shop sein wird, von dem ich weiß, dass er Samstags aufhat, weil ich das online vorher gecheckt hatte, als ich wiederum keine Lust hatte, wegen eines Schlafsackkaufs den halben Tag zu verdödeln, anstatt den ganzen zu verdödeln, bei Vasili und bei Regen, in besagter Taverne in Benitses. Während ich so laufe, denke ich mir, genau jetzt ist Taxizeit (taxi ist nicht gr. sondern eine Kurzform von frz. taximètre, wobei der Meter natürlich von gr. metron stammt, obwohl der Urmeter in Paris rumliegt – soviel Zeit muss sein!), winke dem blauen Benz, der aus einer Nebenstraße kommt, schmeiße den Rucksack auf die Rückbank und bin in wenigen Minuten bei der INTERSPORT-Filiale, die zu hat! …¿Wie jetzt? …Dabei hatte ich mir vorgenommen, was vernünftiges, leichtes, trotzdem warmes für viel Geld zu erwerben, so wie die Wanderkollegen es auch alle haben. Schlechte Erfahrung mit Scheiß-Material hab ich ja, siehe die Episode auf La Trapa (mater ist übrigens, …ach hatten wir ja schon!). Frage also den Kollegen Taxifahrer, ob er was anderes wüsste. Er weiß aber auch nichts, außer das Samstag ist und am Samstag…. Gut, also weiter zum Hafen. Mondän fahre ich im blauen Benz in das Hafenareal ein und zum Abfertigungsgebäude vor. Dort fliegt auf, dass ich noch kein Ticket habe, selbiges nicht vor Ort, sondern im Ticketbüro erstanden werden muss – ist ja nicht irgendein Ticket, sondern eines nach Albanien, das kriegt man nicht irgendwo. Gut, Retour. Ticketbüro erreicht, ich entlasse meinen Leihfahrer, den Weg zurück könne ich auch laufen, und zahle fürstliche 17 Euro! Aber was soll´s, geschenkt wegen des Erkenntnisgewinns innerhalb kürzester Zeit. Ticket wiederum klappt problemlos, ob ich meinen Rucksack für eine halbe Stunde stehen lassen könne, gleich wieder da? Auf in die Altstadt, auf ein Neues! Muss unterwegs noch ein mittelaltes Franzosenpärchen versorgen, das die Altstadt in Richtung Hafen sucht und nicht in Richtung Altstadt (…soviel Zeit muss sein!) – er ist umgänglich aber sie lässt sich sofort zurückfallen, mon dieu! Verlasse die beiden am Omnibusplatz, wo sie eine Karte studieren können, biege ab in die Altstadt, nur Gedödel-und-Gedöns-Läden haben auf, keine richtigen. Ausflug in Nebenstraßen, alles zu, außer Pizza, Eiscreme, Handtaschen, Badelatschen. Dann, Hunger hab ich ja auch, eine Bäckerei mit Spinat-Böreks in der Auslage, heißen natürlich anders, sind aber welche, schließlich haben die Ottomanen sie mitgebracht. Also rein, drinnen der Wahnsinn, siehe Bild.
Ich so: okay, zwei von den Spinat-Dingern, Name egal. Und dann, Kollege, pack mir doch noch einfach von den Teilchen ein, ja neun ist ok, so´n Aluschälchen halt.
Er: Macht 17 Euro.
Ich: …O-chkay!!
Siebzehn. Ist das hier Standard? Egal was? Comunque tutto? Hier: Siebzehn, nimm und werde glücklich! Raus aus dem Laden, sehe gegenüber den Mini-Supermarkt, der OFFEN hat, ein Gedanke: Bier! Also rein, Bier gegriffen, Kasse, zahlen. Eine Frage noch, ob er vielleicht einen Laden wüsste, wegen Samstag und Schlafsack? Typ, klein, drahtig, grauhaariger Pferdeschwanz, greift zum Telefon:
– Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα…?
Ja, sagt er, wäre möglich, Geschäft um die Ecke, hätte zu, Samstag, aber er den Schlüssel.
Ich: Gut, großartig, super, aber: was ist mit seinem Laden?
Er: Kein Problem, jemand würde kommen.
Anderer Typ, groß, drahtig, grauhaariger Pferdeschwanz, betritt im selben Moment den Laden, übernimmt Kasse, wir gehen zum Geschäft um die Ecke, das um die Ecke liegt. Er sperrt die Glastür auf, Geschäft ist voller Gedödel und Gedöns, Gürtel, Ledertaschen und so, geht zielstrebig in eine Ecke, sucht, findet, zeigt: Schlafsack! 19 Euronen. …Wieso nicht 17? Egal. …Ob ich ihn ansehen wollte? Ne, brauch ich nicht, gibt ja eh nur den einen, Ende der Warengesellschaft, keine Auswahl, was ein Glück: Haben! Wir verlassen den Laden und stellen uns endlich vor.
– Georgos, Trailrunner, 21 mal den Olymp ersprintet.
– Jörg, Namensvetter, auf dem Weg ins albanische Hinterland.
Schlafsack und ich gehen Rucksack abholen, efcharisto! Weiter zum Hafen, Schengen-Dingens verlassen, dann Boarding oder Barking, whatever. Ich teile ein Bäckereiteilchen mit einem London-Albaner, sind uns einig: Überdosis Zucker, killt jedwede Aromen. Hinsetzen, vorne in den Wind, Fotos machen, Bier auf. Die Queen Mary legt ab, die Queen Mary! Sicherlich gen Dubrovnik. Erhoffe mir tolle Fotos, aber die Queen Mary, dieses Hochhaus, ist schneller als unser Kutter. Gute Stunde, dann Saranda. Am Quai entlang in Richtung Stadt, werde alsbald angebettelt von einem richtigen Bettler – meine Regel beim Betreten von Städten: der erste, der mich anspricht und wirklich was braucht, der kriegt. Eine Art Eintrittsgeld. Für die Götter. In diesem Fall, weil ich noch keine Lek habe: die verbliebenen korfiotischen Teilchen. Diebisch gefreut hat er sich, mehr als über ein Paar Lek, und ich mich daraufhin auch. Gutes Omen.