Der Zirbitzkogel, der Steirer-Hannes und ich

Zirbitzkogel Ausblick

„Sonntag Berg muss“, das schreibt mir der Steirer-Hannes, Tage bevor ich in der Steiermark ankomme. Vom Zirbitzkogel ist die Rede, da würden wir aufigehn. Als ich aber da bin, rudert der Hannes vorsichtig zurück. Das Wetter sei nicht das Beste, nebelverhangen seien die Berge und diese Saison hätts viel Schnee dort oben. Der Zirbitz würd immer noch seine Kappe aus Wolken tragen, dies sei nicht so gut, nicht im Winter: Könnt ma sich scho verrennen. Erst letztens musstens a paar rausholen, weils sich verstiegen haben im Nebel.
– Dös is hochalpin dort, dös waast scho?“, sagt der Hannes und hofft, ich würde mich stattdessen darauf einlassen, auf die Hammerlekwiesen zu gehen.

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Einen kleinen Spaziergang über verschneite Alpenwiesen finde ich jedoch entschieden weniger interessant als den Aufstieg in Richtung Zirbitzkogel, dem höchsten Berg in der näheren Umgebung Judenburgs. Also sag ich:
– Sonntag Berg muss!
Nun war es ganz gewiss nicht geschickt, am Vorabend einer Bergwanderung eine alkoholische Lesung zu veranstalten, die sich insofern ausging, als dass zahlreiche Leute ihren Spaß hatten und wir alle einen sitzen. Auch ist Ute, Hannes Frau, mehr als skeptisch, noch im Auto wird die genaue Route diskutiert, auf dass sie möglichst ungefährlich verlaufe. Wir fahren auf die Waldheimhütte und stellenweise liegt die Sicht unter zehn Metern, so dicht sind die Nebelbänke. Die Wälder, die Zirben, sind tiefverschneit, die Höhenzüge absolut nicht auszumachen. Meine Hoffnung, dass es aufklaren würde, bevor wir den Parkplatz erreicht hätten, wird gründlich zunichte gemacht.

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Hannes blickt nach oben, als gäbe es dort im Nebel irgendetwas zu sehen und sagt mit einer Bestimmtheit, der ich nicht ganz trauen mag, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit unserer Beruhigung dient:
– Noch hundert Höhenmeter, und ois wird klar!
Es ist Ute, die uns davonstürmt, in den Nebel hinein, durch die Zirbenwälder. Die ungewohnten Schneeschuhe scheinen mir zunächst mehr Hemmnis als Erleichterung, aber mit normalen Wanderschuhen würde man mit jedem Schritt noch weiter einsinken und käme so gar nicht vorwärts. Die ersten dreißig Minuten halte ich mich in Hannes Spur und bin froh, dass der nicht so einen Spurt hinlegt, wie vor fast einem Jahr auf Mallorca.
Die Schleier werden heller, erst zeigt sich die Wintersonne als blasser, runder Fleck, dann mischt sich Blau in das Grau und nach ein paar Kehren laufen wir tatsächlich aus dem Nebel hinaus. Bald haben wir die Baumgrenze hinter uns und queren in schönstem Sonnenschein.

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– Dös war a super Moment um mitm Rauchen aufzuhörn, sagt der Hannes, als wir kurz stehen bleiben, um den Blick über die Täler schweifen lassen, auf die Bergkette gegenüber und den einsamen alten Vulkan mitten im Wolkenmeer. Ich gebe im Geiste zudem das Bier auf, zum öffentlichen Schwur aber kommt es nicht, kann es nicht kommen, weil der Hannes sich schon wieder abwendet und weiter zieht, der Ute nach, der Anführerin. Ausruhen ist mit den Reitingers nicht. Die kurzen Pausen reichen kaum, um ein bisschen Tee zu trinken. Mit jedem Foto, dass ich mache, verliere ich zudem einige Meter und muss schauen, dass ich den beiden hinterherkomm.

Fast bin ich froh, dass der Hannes sich gegen den steilen Gang auf den Gipfel ausspricht und wir stattdessen quer über die Bergflanke ziehen, hinüber zur Kärtner Seite. Am Horizont grüßt von weit weg die Silhouette der Karawanken  – mir aus meiner Jugend bestens bekannt, dort unten liegt Villach, der Faaker See und gegenüber der Mittagskogel.

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Und dann kommt es, wie es kommen muss, der Steirer verennt sich. Geht einfach gradeaus weiter, einen tiefverschneiten Wirtschaftsweg hinab, der sich wenig später jedoch als in die Irre bzw. nach Kärnten führend herausstellen wird. Es hilft nichts, wir müssen wieder hinauf und die richtige Abzweigung finden. Umkehren, Zurückmüssen, ob beim Wandern oder beim Bergsteigen, ist immer sehr undankbar. Heute jedoch nicht. Denn die richtige Abzweigung ist in jeder Hinsicht richtig, sie führt an der Sonnenseite sanft hinab, durch die Zirbenwälder, an vereinzelten Hütten und einer Marienstatue vorbei. Es ist ein Bilderbuchweg, den wir hinabgehen, bis uns der Nebel wiederhat. Es ist so schön, dass es fast kitschig wäre, wenn man es fotografieren würde. Ich aber fotografiere dennoch und schicke auch sofort – was ich sonst nie mache –  von Ort und Stelle ein Foto durch den Äther. Vollkommenes, verschneites Winterglück muss geteilt werden, Glück muss man teilen, sonst tut es weh.

Zirbenwald

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