Tramuntana: Von Köhlern und Kalkbrennern

Der Steirer-Hannes war schon weiter nach Valdemossa gezogen, ich aber in Esporles vom kalten Frühlingsregen festgehalten worden. Dort festzuhängen fällt nicht schwer, Esporles ist nicht so pittoresque wie Pollença, nicht so berühmt wie Valdemossa und daher sehr entspannt und sehr normal. Zudem gibt es dort eines der schönsten, wenn nicht sogar das schönste Hostel, das ich kenne. Sa Fita, ein Luxus-Hostel in einem großzügigen, alten Stadthaus, mit Garten nach hinten raus, in dem Lupinen blühen, Mageritten stehen sowie eine Reihe junger Zitronenbäumchen und ein stattlicher Avokadobaum. Ein Avokadobaum! Selig sind die, die hier seien werden, sobald die Früchte reif sind!

Hostel Esporles Unterkunft Tramuntana Hotel

Alte Zisterne: der Zugang auf der einen ist fürs Vieh, der Brunnen auf der anderen Seite für Trinkwasser

Marta und Joan bewirtschaften die Herberge erst seit einem Jahr, nach drei Jahren des behutsamen und von Sachverstand geprägten Umbaus. In den Gemeinschafträumen liegen Bildbände aus, stapeln sich National Geographic Hefte und Wanderliteratur. Ich fühle mich zuhause und genieße den Regentag, das Lesen, Schreiben und das da sein und bleiben.

Den zweiten Tag „Verspätung“ fange ich mir ein, als ich angesichts des aufklarenden Wetters Joan Bescheid sagen will, dass ich weiterziehe, Joan mir aber zuvorkommt und fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm loszuziehen: Auf ein paar Stunden auf die andere, weit weniger begangene Seite des Tals, in die für mich falsche Richtung also. Er würde dort Wege erkunden wollen und ich solle doch einfach mit. Joan, großgewachsen, athletisch, energisch im Sinne von sichtbarer energía, ist ehemaliger Radsportler, der aber ausgestiegen ist, als er anfangen hätte müssen mit den unerlaubten Mitteln und Methoden. Der Berg ruft und zugleich ein gestandener Bergführer, vamonos! Valdemossa kann warten bzw. gegebenenfalls übersprungen werden. Muss ich halt nachholen, später.

Trockenmauerweg Etappe Esporles Hostel Sa Fita Esporlas

Nachgewachsener Hochwald

Und so ist es Joan, der mir den entscheidenden Schlüssel zum Verständnis der Ruta de la Pedra en sec, des Trockenmauerweges und der Tramuntana in die Hand drückt. Die Stecken solle ich ruhig mitnehmen, es würde stellenweise ziemlich steil werden, Wasser und comida sowieso. Inzwischen hat sich mein Spanisch stark verbessert, aber vor vier Wochen noch war ich ein sprachlicher menosvalido. Das aber war Joan herzlich egal, einen halben Tag lang hat er mir auf Spanisch erklärt, was es mit den Hütten und Mauern, den Zisternen und kreisrunden Steinplätzen in den Bergen auf sich hat. Wir durchwanderten die Hochwälder von Son Poquet, stiegen auf den Fita del Ram, und kamen über das Kloster Maristella zurück ins Tal und nach Esporles. Joan hat Augen für einen verwachsenen Olivenbaum, für die Farbspiele wilder Orchideen, roter Erde und weißer Felsen. Er wundert sich unterwegs immer wieder selbst über die mallorquinischen Wunder, wie schön doch alles sei, wie precioso, wie increíble.

Juan Esporles Esporlas Sa Fita Hostel Tramuntana

Joan trägt Farbe, weil viele Wanderwege durch Jagdgebiete führen. Jetzt ist zwar nicht Saison, aber ich sollte trotzdem meinen Kleidungsstil überdenken…

Zuvor hatte ich die steinernen Überreste, die man immer wieder am Wegesrand findet, einfach hingenommen, blind akzeptiert, ohne wirklich zu fragen, wozu sie gedient hatten. Jetzt klärte sich alles auf: die Hütten waren Köhlerhütten, die Plätze dienten dem langsamen Abfeuern der Steineichen, all die Wege dem Transport der so gewonnenen Holzkohle ins Tal. Poc a poc entsteht vor meinen Augen ein lebendiges Bild der Arbeit und der Lebensweise dort oben. Ich stelle mir vor, wie man nachts im Tal die kleinen Feuerpunkte der glimmenden Holzstapel sehen konnte, weit verstreut überall an den Berghängen. Ich sehe das Leben dort oben vor mir, das Vieh an dem einen Teil der Zisterne tränken, die Menschen aus dem anderen schöpfen. Die Berge bevölkern sich, werden geschäftig und wieder kahl, denn Bäume standen hier vor fünfzig, sechzig Jahren keine, nicht rund um die Köhlerhütten, nicht alrededor von deren Arbeits- und Schlafplätzen. Die Bewirtschaftung der Berge ist daher auch die Erklärung für das ausgedehnte, alte Wegesystem in der Tramuntana und für die begrenzenden und einen begleitenden Mauern.

Hostel esporles Esporlas Tramuntana Rute de Pedra en sec Trockenmauerweg

Kalkofen

Die kreisrunden, tiefen Steinanlagen, die ich für Zisternen tambien gehalten hatte, entpuppen sich als Kalköfen: Hier wurde einst Kalkgestein zu Staub verbrannt, hauptsächlich, um diesen anzurühren und Häuser und Brunnen damit auszukleiden. Auch was ein Schneehaus ist, habe ich jetzt begriffen: Der Schnee wurde gesammelt, in große, mit Steinen ausgekleidete Bassins geschüttet, zu Eis verdichtet, abgedeckt und später blockweise ins Tal oder auf Eselsrücken bis nach Palma geschafft, um dort in den Kühlschränken und auf den Fischmärkten Dienst zu tun.

Fita del Ram Esporles Esporlas Puigpunyent Hostel

Blick vom Fita del Ram in Richtung Osten und Puigpunyent

Fast wäre ich noch länger in Esporles geblieben, glücklich ob der Umstände, wäre da nicht der Steirer-Hannes gewesen, der mir bedeutet hatte, ich solle meinen Hintern endlich in Bewegung setzen, er stehe schon vor Soller und damit vor den Hochgebirgsetappen, und ihm wär a bissl fad. Hab auf ihn gehört, war gut so, sonst wär ich noch zum Umwegler oder schlimmer Sitzenbleiber geworden, hätte den Vorarlberger und das Doppelpack nicht kennengelernt und der Brädlie wär jetzt noch unzufriedener mit mir.

 

Link zu Martas und Joans Hostel. Wanderer, kommst Du nach Esporles…


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